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Die Ballade von Musgrave

Text: Thomas Kolitsch, nach der englischen Ballade "Little Musgrave"

Es war an einem Feiertag, da dieses ist geschehn;
als Musgrave in die Kirche ging, die schönen Fraun zu sehn.
Wohl manche trugen roten Samt und manche Samt so grau.
Als letzte kam Lord Barnards Weib, das war die schönste Frau.

Sie winkte mit den Äugelein und lächelte im Scherz,
da sagte Musgrave zu sich selbst: „Ich hab der Schönen Herz.“
„Ich liebte dich, oh mein Musgrave, seit längst vergangnem Tag.“
„Und ich liebt’ dich, du schöne Frau, auch wenn ich nie was sag.“

„Ich hab ein kleines Gartenhaus, dort wird mein Herz mir weit.
Ich nehme euch dorthin mit mir und lieb euch allezeit.“
Doch in der Näh ein Page stand, der hörte dies mit an.
„Mag ich zwar dienen seiner Frau, bleib ich Lord Barnards Mann.

Mein Lord Barnard soll das erfahrn, friert auch die Hölle ein!“
Er sprachs und hüllte sich ganz fest in seinen Mantel ein.
„Mein Lord Barnard, mein Lord Barnard, ihr seid ein wahrer Mann!
Doch Musgrave fasst nicht weit von hier grad eure Ehfrau an.“

„Ist dies die Wahrheit, guter Mann, die du mir so darbringst,
dann will ich baden dich in Gold, dass du darin versinkst.
Doch ist es Lüge, die du sprichst, und Falschheit ganz und ganz,
so lädt dich alsbald Meister Hanf wohl ein zum letzten Tanz.

Schnell sattel mir mein schwarzes Pferd und auch die grauen all!
Doch stoß, ich bitt dich, nicht ins Horn, sonst warnt ihn noch der Schall!“
Ein Mann, der Barnard folgen tat, der liebte Musgrave stet.
Er blies ins Horn ganz laut und schrill: „Oh flieh, so schnell es geht!“

„Mich dünkt, ich hör des Morgens Hahn, die Lerche hör ich schrein.
Vielleicht ist es auch Lord Barnard! Darf niemals nicht hier sein.“
„Bleib still, bleib still, mein lieber Musgrave, ’s war nicht der Lerche Klang.
Bleib still, ich glaub, es war wohl nur der Nachtigall Gesang.

Der Falke sitzt auf seinem Platz. Der Rappe ruhig frisst.
Mich friert’s, drum rücket näher rasch, damit mir’s wärmer ist.“
So legte er sich eng an sie und küsst’ sie wie im Traum.
Als sie erwachten, stand Barnard und auch sein Trupp im Raum.

Er sprach: „Gefällt mein Bett euch gut, das Laken, in dem ihr liegt?
Und wie gefällt euch meine Frau, an die ihr euch anschmiegt?“
„Ich mag sehr euer Bett, mein Herr, und diesen ganzen Ort.
Doch gäb’ ich wohl einhundert Pfund wär’ ich jetzt weit weit fort.“

„Erhebt euch aus den Laken nun, die Blöße flugs bedeckt!
Ich habe eine Strafe nie am nackten Mann vollstreckt.“
Langsam stand da Musgrave auf. Er legt’ die Kleidung an.
Und Barnard folgend fühlte er des Todes Hand so klamm.

„Hier sind zwei Schwerter hoch an Wert, mit Edelstein besetzt.
Wählt euch nur das beste aus! Ich nehm mir meins zuletzt.“
Beim ersten Schlag, den Musgrave tat, Lord Barnard wankte sehr.
Doch als dann Lord Barnard zuschlug, schlug Musgrave nimmermehr.

„Wie mögt ihr seine Wangen nun, wie mögt ihr jetzt sein Kinn?
Wie mögt ihr seinen Körper kalt, da gar kein Leben drin?“
„Viel mehr mag seine Wangen ich, den Körper ohne Glut.
Viel mehr mag ich sein starkes Kinn als euer Hab und Gut.“

Er nimmt sein langes, langes Schwert, die Kling’ im Feuer blinkt.
Und mitten durch ihr heißes Herz das kalte Eisen dringt.
Dann rief Lord Barnard schreiend aus, mit bitterem Gemüt:
„Mein’ Frau legt höher als ihn ins Grab, sie war von rein Geblüt!

Ich tötete den besten Mann, der je die Lande ritt.
Und tötete die beste Frau, die Frauenliebe litt.“
Es war an einem Feiertag, da dieses ist geschehn;
als Musgrave in die Kirche ging, die schönen Fraun zu sehn.

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